Das Blaue Haus

Die „Baumwollspinnerei Hof“ markiert den Beginn der Mechanisierung in der nordostoberfränkischen Textilproduktion. Ausgehend von protoindustriellen Strukturen, die sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, lieferte die Herstellung von Stauchen, später Flören und „Tüchlein“ über Generationen hinweg einen Leitfaktor der lokalen wie regionalen Wirtschaft. Nach dem Anschluss an die Ludwig-Süd-Nord-Bahn war nach einem langen Ringen der Import von sächsischer Steinkohle aus dem Zwickauer Revier ermöglicht worden, der auch in Hof die Hinwendung zur großbetrieblichen Produktion erlaubte. 1853 begannen beinahe zeitgleich Überlegungen zum Bau dampfbetriebener Spinnereien in Bayreuth und Hof. Nur knapp ein Jahr später war die Aktiengesellschaft zur Gründung eines solchen Etablissements konzessioniert und mit dem notwendigen Stammkapital ausgestattet worden, wodurch der Bau der Anlagen beginnen konnte. Das Hauptgebäude wurde, nach der ersten erfolgten Erweiterung 1859, zum längsten Bauwerk der Stadt Hof und maß beeindruckende 206 Meter.

Durch die politischen und wirtschaftlichen Krisen (insbesondere der im Rahmen des amerikanischen Bürgerkriegs stark gestiegene Baumwollpreis machte zu schaffen) schlitterte das Unternehmen 1869 in den Konkurs und wurde von der bayerischen Hypothekenbank übernommen. Unter ihrer Leitung wurde eine neue Aktiengesellschaft ins Leben gerufen, die schnell auf einen guten wirtschaftlichen Kurs gebracht werden konnte, ehe ein verheerendes Feuer das Hauptgebäude der Spinnerei am 8. April 1878 in Schutt und Asche legte. Der Wiederaufbau begann noch im gleichen Jahr nach Plänen des Stuttgarter Architekten Hugo Beyttenmiller und orientierte sich an der ursprünglichen Struktur des Hochbaus. Die damals in den Anfängen befindliche Shed-Architektur konnte wegen des zu schmalen Grundstücks nicht zur Anwendung kommen. Die folgenden zwanzig Jahre können durchaus als „Goldene Epoche“ bezeichnet werden: Durch die fortschreitende Mechanisierung in der Textilproduktion konnte der Absatz der Spinnerei stetig gesteigert werden, ehe sie 1897 mit der benachbarten „mechanischen Weberei Hof“ fusionierte und so selbst zum zweistufigen Betrieb ausgebaut wurde. So entstand die „Neue Baumwoll-Spinnerei und Weberei Hof AG“. Eine letzte bauliche Veränderung am beeindruckenden Hauptgebäude fand 1916 durch den Ausbau des Dachgeschosses statt.

Das operative Geschäft wuchs, auch durch Übernahmen von Mitbewerbern, bis zum Ersten Weltkrieg weiter an und konnte, nach Einbrüchen in den 1940er Jahren, in der „Wirtschaftswunderzeit“ weiter florieren. Im Zeichen der stärker werdenden Globalisierung sah sich die Baumwollspinnerei ab den 1960er Jahren einem ausufernden Konkurrenzkampf ausgesetzt, den sie durch verschiedene Umstrukturierungen meisterte.

Den Betrieb der Spinnerei stellte die seit 2012 unter dem Namen „HofTex“ firmierende Firmengruppe in den 1990er Jahren ein. Der Abbruch eines großen Teils der Anlagen fand 2002 statt. Das „Blaue Haus“ ist damit das letzte Artefakt des einst bedeutendsten Betriebs der Stadt, der nicht allein für Hof, sondern für die Textilregion Nordoberfranken eine elementare Rolle spielte.

© Bilder Jochen Bake

Umgang mit unserer Baukultur

Baukultur
Liebe Leser,
vor einiger Zeit hatte ich mich sehr kritisch gegenüber verschiedenen Bauprojekten in Hof geäußert (darunter der Abbruch des Lokschuppens, der geplante Abbruch des Blauen Hauses u.a.).
Um es nicht bei der bloßen Kritik zu belassen, hatte ich angekündigt, mich bei Gelegenheit mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit zu wenden, wie der Umgang mit historischer Bausubstanz verbessert werden könnte. Heute nun möchte ich euch dieses Konzept vorstellen.
Womöglich habt ihr bereits in der Frankenpost davon gelesen (herzlichen Dank an dieser Stelle für den wirklich wunderbaren Bericht von Frau Sebert!), doch möchte ich euch an dieser Stelle den Brief, den Vertreter des Hofer Kulturlebens an die Stadt geschickt haben, noch einmal im Wortlaut vorlegen.
Zusammengefasst wollen wir uns demnach dafür einsetzen, einen „Denkmalrat“ zu etablieren, um bei Bauprojekten, die historische Substanz beinhalten, auch der Geschichte eine Stimme zu verleihen und so die Diskussion entsprechend zu erweitern.
Wir stellen uns explizit NICHT grundsätzlich gegen jeden Abbruch, wollen aber dafür eintreten, dass man sich VORHER Gedanken macht, welche Alternativen es dazu geben könnte, sofern das entsprechende Gebäude einen hohen historischen und architektonischen Wert für Hof vorweisen kann. Ebenso verlangen wir nicht, wie es scheinbar manche Redakteure aufgefasst haben, dass „die Stadt“ für uns die Arbeit macht, sondern wollen dazu aufrufen, sich GEMEINSAM für das gebaute Erbe Hofs zu engagieren.
Nur MITEINANDER kann es überhaupt funktionieren.
Hier das Schreiben im PDF Format zum herunterladen –> PDF Schreiben

Rogler – Gefrees

Rogler Gefrees

 

Der früheste nachweisbare Bezug der Familie Rogler zu Gefrees datiert in das Jahr 1740: Damals hatte sich die aus Berneck stammende Witwe des Johann Michael Rogler in der Stadt niedergelassen, wo sie ein Jahr später den Schneider Johann Georg Lochmüller heiratete. Dabei brachte sie auch den einzigen Sohn aus erster Ehe, Johann Lorenz Rogler, mit. Sein Stiefvater war es schließlich, der ihm das Schneiderhandwerk beibrachte und damit den Grundstock zur Tradition des Textilgewerbes in der Familie Rogler legte. Johann Lorenz ´ zweiter Sohn, Johann Michael Rogler, erblickte 1785 das Licht der Welt, war in Gefrees als Handelsmann und Zeugmachermeister tätig und wurde schließlich gar Bürgermeister der Stadt, was die enge Verbindung der Familie nicht allein zur textilen Tradition, sondern auch zur Entwicklung der Gemeinde unterstreicht. Dessen 1815 geborener Sohn Johann Georg Rogler war es, der sich vom reinen Handel auf die Produktion von Stoffen verlagerte und als Fabrikant von sich reden machte. Diese für die Region typische Entwicklung vom Händler zum Produzenten führte am Ende dazu, dass er knapp 300 Handweber vorzuweisen hatte, die teilweise gar in Bischofsgrün saßen: 1862 wurde der Sitz des Handelsgeschäfts offiziell ins Register der Stadt eingetragen. 1887 übernahmen schließlich die Brüder Alfred und Ludwig Georg Rogler das Ruder der noch jungen Firma und führten sie auf die nächste Ebene der wirtschaftlichen Entwicklung: Hatten sich die beiden Brüder anfangs auf die – weiterhin in Handweberei organisierte – Produktion von Hemdenund Anzugstoffen konzentriert, wechselte der Fokus in den folgenden Jahren recht schnell zur Herstellung von Plüsch, das insbesondere für Wagen- und Kutschsitzbezüge guten Absatz fand. Dennoch litt man auch in Gefrees unter den schwankenden Konjunkturen zum Ende des 19. Jahrhunderts, was man durch die breit aufgestellten Familienbande zu überbrücken suchte: Während sich die beiden Brüder auf den Aufbau eines Handelsnetzes für Plüsch konzentrierten, schaffte ihre Mutter, die gemeinhin als „Madame Rogler“ von sich reden machte, im eigenen Handelsladen und organisierte die Bestellung der nach wie vor vorhandenen Felder. Bis 1899 diente das Stammhaus der Familie, das sich bis heute dem Betrachter der Hauptstraße in den Blick schiebt, als Zentrum für diese mannigfaltigen Unternehmungen, wobei dort letztendlich gar einzelne Handwebstühle aufgestellt und eine kleine Appretur im Hinterhof eingerichtet worden ist. Trotz der begrenzten Möglichkeiten getraute man sich, die Produkte der Firma Rogler bei der Bayerischen Landes-, Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung in Nürnberg zu präsentieren, was schließlich die Ehrung mit einer Silbermedaille durch Prinzregent Luitpold einbrachte. Nach der Heirat Alfred Roglers mit der in Bamberg lebenden Tochter des Spinnereidirektors Theodor Müller floß dem kleinen Unternehmen endlich genügend Kapital zu, um in die Zukunft investieren zu können: Nachdem zum Ende des 19. Jahrhunderts der erste mechanische Plüschwebstuhl auf den Markt gekommen war, entschloss man sich zum Kauf der ehemaligen „Obermühle“ in Gefrees, die man postwendend in eine kleine, mit Wasserkraft angetriebene Fabrikation umbaute. 1898/99 wurde dieser älteste Teil der bis heute existenten Fabrik seiner Bestimmung übergeben und leitete damit in die „Belle Epoque“ der Firma über: Schnell entspann sich ein Fernhandelsnetz über Belgien, Skandinavien, Island, die Schweiz und am Ende gar nach Yokohama, das aus Gefrees eines der Zentren der Möbelplüsch- und Mokettfabrikation machte. Es wundert wenig, dass bereits 1904/05 eine erste Vergrößerung der Fabrik erfolgen musste, um der Nachfrage gerecht zu werden: Die historische Obermühle wurde abgebrochen, um dem neuen Geschäftshaus Platz zu machen, zwei Jahre später wurde der „mittlere Saal“ ergänzt und 1907 konnte der Appretur-Raum eingeweiht werden. Mit dem Shed-Saal wurde 1909 das letzte Bauvorhaben in die Tat umgesetzt. Nach den Wirren des Ersten Weltkrieges konzentrierte man sich ab 1919 auf die Produktion von Sitzplüschen für die Eisenbahn, ehe es knapp zehn Jahre später zum familiären Bruch zwischen den geschäftsführenden Brüdern kam: Die bis dato existente offene Handelsgesellschaft wurde auf den Prüfstand gestellt und in zwei getrennte Unternehmen aufgebrochen, was zugleich auch die räumliche Trennung der Fabrikgebäude nach sich zog. Durch den Tod Alfred Roglers im gleichen Jahr wurde schließlich dessen Sohn, Theodor Rogler, der neue Geschäftsführer der Firma „Gg. Rogler“, während sein Onkel im Shedsaal einen eigenen Betrieb eröffnete. Auf dem Papier ließ man die gleichnamige Stammfirma „Georg Rogler“ weiterhin existieren und teilte sie im Verhältnis 50/50 auf, um damit eine Immobilienverwaltung vorweisen zu können. Dieses Vorgehen führte zu recht einzigartigen Verhältnissen: So einigte man sich darauf, die Appretur fortan gemeinsam zu benutzen und sie – ähnlich eines Kommunbrauhauses – gegen Bezahlung der Dampfkosten beiden Parteien zu überlassen, die sie mit jeweils eigenem Personal betreiben konnten. Theodor Rogler erkannte in der Namensgleichheit seines Firmenteils und der gemeinsamen Gesellschaft einen triftigen Grund für eine Namensänderung und firmierte fortan unter „Alfred Rogler Sohn“, was er letztendlich zu „AROSA“ abkürzte. Mit dem neuen Namen ging jedoch auch das Problem der Unbekanntheit einher: Hatte man sich anfangs auf die Produktion von Plüsch für die Nürnberger Spielwarenindustrie konzentriert, wurde dieser Geschäftszweig aufgrund wachsender Konkurrenz bald unrentabel und da man bei der Produktion von Mokett hinter der Firma des Onkels zurückstand, boten am Ende feine Möbelripse den lang ersehnten Ausweg: Theodor Rogler stellte die Produktion daraufhin komplett um und steckte immenses Kapital in die Beschaffung mechanischer Jacquard-Maschinen, deren Muster- und Lochkarten sich bis heute auf dem Lagerboden des Hochbaus befinden. Gleichzeitig sah man sich der anwachsenden Belegschaft (waren nach der Trennung der Betriebe nur knapp 40 Arbeiter vorhanden gewesen, konnte man

1936 120 Beschäftigte vorweisen) verpflichtet und errichtete schließlich das erste

Arbeiterwohnhaus in der Hofer Straße. Der zweite Weltkrieg brachte die einsetzende Hochkonjunktur schnell zum Erliegen, was man durch die Produktion kriegswichtiger Güter (in erster Linie Magazinsack- Gewebe, Zeltbahnen und Brotbeutelstoffe) auszugleichen versuchte. 1943 erreichte Theodor Rogler schließlich der Ruf an die Front, der ihn als Feldwebel zu einem Flieger- Korpsstab nach Holland brachte. Nach amerikanischer Kriegsgefangenschaft und Arbeitsdienst in Frankreich kehrte er 1947 nach Gefrees zurück und übernahm von Neuem die Führung der Firma. Wie er selbst schreibt, waren es „alte und neue Freunde, die auf Grund geretteter Vorräte, guter Beziehungen und mehr oder weniger legitimen Kompensationen Rohstoffe zur Verfügung“ stellen konnten und damit den Betrieb wieder auf Kurs zu bringen halfen. Während der Zeit des „Wirtschaftswunders“ konnten schließlich gar Doppelschichten gefahren werden, womit die zweite, finale Blüte der Firma begonnen hatte. Durch die um sich greifende „Textilkrise“ wurde sie in den 1980er Jahren erstmals erheblich geschwächt, ehe Anfang des neuen Jahrtausends der Vorhang endgültig fiel. Seitdem stehen die Räumlichkeiten leer, der Verfall nahm zu, beschränkte sich jedoch in erster Linie auf den Verbindungsgang zwischen den beiden getrennten Fabrikteilen, während sich die Hallen selbst und auch der Hochbau in einem guten Zustand befinden.

 

Entsprechend seiner Anfangszeit weist der Betrieb eine damals übliche, heute jedoch nurmehr selten anzutreffende Besonderheit auf: Er teilet sich in einen Hochbau (Qader- oder Bruchstein) mit Büroräumen, Vorbereitung und Appretur, sowie einem angeschlossenen Flachbau (Backsteinbau) mit Sheddach zur eigentlichen Produktion. Daran schloß sich im Normalfall das extern angebaute Maschinenhaus an, von dem aus die Kraftübertragung in den Saal durch Transmissionen erfolgte. I

 

Dieser Bautypus ist in der Region des nördlichen Fichtelgebirges nur in einer relativ kurzen Übergangszeit zwischen 1880 und 1900 benutzt worden, ehe man – aufgrund der klar überwiegenden Vorteile – auf die reine Flachbauweise setzte, wie man sie bei den größeren Betrieben in Münchberg findet. Anders als jene Anlagen also, die durch fortwährende Verbesserungen und Innovationen stetig weiterentwickelt worden sind, wodurch der ursprüngliche Bautypus mehr und mehr verloren gegangen ist, steht die vorgestellte Anlage mustergültig für den Fabrikbau des ausgehenden 19. Jahrhunderts und ist damit – ein beinahe einmaliges! – Zeugnis der beginnenden Mechanisierung und Hinwendung zum großindustriellen Betrieb in der ländlichen Region Nordostoberfrankens.